VorbereitungEin letzter Langer im Grossherzogtum

1. Oktober 2018

Wer sich ambitioniert für einen Marathon vorbereitet sollte das trainieren, was auf den 42.195 km gefordert wird: Tempohärte, das bedeutet schnelles Laufen, wenn der Körper bereits müde ist und man eigentlich am liebsten die Segel streichen würde. Hierzu gibt es mehrere Möglichkeiten, Eine davon ist der lange Lauf mit einem schnellen Endteil. In der Vorbereitung von Maren für den München Marathon bedeutete das 38 Kilometer und die letzten 15 davon möglichst im Marathontempo. Genau dann, wenn die Kohlenhydratspeicher aufgebraucht sind und Fett zur fast alleinigen Energiequelle wird.

Das mag hart klingen, und es ist es auch, aber dadurch lernt der Körper, mit dieser Situation umzugehen. Einen Marathon simulieren kann man im Training nicht, aber auf solchen Einheiten kommt man schon nahe an dieses Ermüdungsgefühl heran. Zudem ist es für den Kopf wichtig, denn wer solche Trainingseinheiten übersteht, der kann mit dem notwendigen Selbstbewusstsein in Richtung Wettkampf schauen. Wohlgemerkt, diese Art von Trainings sind nur ab einem bestimmtem Level sinnvoll und sicherlich nicht für jeden das Richtige.

Maren hat in München was vor und da kommt man an solchen Vorbereitungen nicht vorbei. Für das längste Training in der Vorbereitung hatte ich ihr deshalb einen Halbmarathon rausgesucht, denn in einer Laufveranstaltung ist es mental einfacher das schnelle Endstück zu absolvieren: Demi Marathon Route du Vin in Remich.

Wo liegt denn Remich? Gute Frage, sein Nachbarort ist wesentlich bekannter: Schengen, das kleine Weindorf, an dessen Moselufer die Verträge zur Gründung der Europäischen Union unterschrieben wurden. Der Halbmarathon für Marens Endbeschleunigung fand also im Grossherzogtum Luxemburg statt.

Ich hatte ihn in meiner Laufgeschichte bereits zweimal absolviert, sogar meine inoffizielle persönliche Bestzeit dort gelaufen, allerdings über 10km, nach 33:50 Minuten passierte ich damals die 10000 Meter Marke, zusammen mit zwei Kenianerinnen. Wer sich auskennt weiss bereits, was auf der zweiten Streckenhälfte dann auf mich zukam.

Der Kurs verläuft ab Remich auf einer breiten Hauptstrasse entlang der Mosel, enge Kurven oder Anstiege gibt es nicht, ausser dem U-Turn bei Streckenhälfte. Der einzige nachweisbare Anstieg auf dem mega schnellen Kurs ist die Start- und Zielmatte. Das kann man auch am Streckenrekord sehen, der liegt bei den Männern deutlich unter 1 Stunde, bei den Frauen ist er bei 1:09!

Das Rennen tönt vom Namen also erst einmal wie ein Degustationslauf a la Bordeaux Marathon , es ist aber genau das Gegenteil, wer hier vorne dabei sein will, muss richtig schnell sein. Im Grossherzogtum ist der Halbe im Moseltal ein Traditionsrennen das bereits zum 57. Mal ausgetragen wurde.

Also alles perfekt für unser Vorhaben, bliebe nur noch das Wetter und das zeigte sich von seiner allerbesten Seite. Angenehm warme Temperaturen bei wolkenlosem Himmel, aber nicht zu heiss und so gut wie kein Wind. Es konnte losgehen.

Am Tag zuvor lief ich mit Maren einen 90 Minuten langen fantastisch schönen Traillauf im Müllerthal durch atemberaubende Schluchten und Felsformationen. Den wird man sicher noch in den Beinen spüren. Für das 17km lange und flache Einlaufen sah ich eine Zeit von 1:40 vor, auf der deutschen Moselseite ging es, man glaubt es kaum, bis kurz hinter einer aufgesprühten Streckenmarkierung in Form eines stilisierten männlichen Geschlechtteils, auf Deutsch Pimmel. Wir konnten uns ein mehrfaches Lachen nicht verkneifen.

Nach dem problemlosen „Einlaufen“ war es dann endlich soweit: Start zum Halbmarathon Route du vin. Wir waren froh, dass es endlich losging, denn im Startblock brannte die Sonne doch mehr als erwartet und der Laufwind kühlte sofort etwas beim Loslaufen. Bis km 6 ging es ja noch „ruhig“ mit einer 4:30er Pace zur Sache, ein komisches Gefühl, wenn man mit bereits müden Beinen an einem Lauf startet.

Trotz grossem Starterfeld verlief alles reibungslos, wir beide mussten lediglich einmal den Hinterherlaufenden aufmerksam machen, dass er etwas Abstand halten sollte. Kilometer 6 kam sehr schnell und wir schalteten den Gang hoch: 4:05min pro km. Wir trafen die Pace sofort und ich spürte bereits, das halte ich nicht bis zum Schluss durch. Ich beschloss, noch 2 Kilometer mit Maren zu laufen und dann sollte sie losziehen. Und das tat sie, und wie! Obwohl sie ohne Uhr unterwegs war, hielt sie die Pace bis ins Ziel und überholte so viele Läuferinnen, dass es ihr fast in die Top 10 gereicht hätte. Aber Platz 11 im Gesamt wurde es noch und mit Bronze ein Podestplatz in der starken Altersklasse W20! Und das bei diesem starken Starterfeld, wow!

Mir ging es zwischenzeitlich wie den Zuschauern an der Strecke: Die Lust am Lauf hielt sich in Grenzen. Und überhaupt waren die Luxemburger ein wenig schweigsam, auch die Mitläufer eher kühl und wortkarg. Emotionen sind anders, aber so ,ist es halt, wenn man in einem Land wohnt, wo Geld zählt. Zwei auflaufende Italiener unterbrachen die Stimmungskälte und ich hatte doch noch für einen kurzen Teil der Strecke zwei nette Begleiter.

Was für schnelle Zeiten top ist, ist für die Motivation, wenn man am beissen ist, ein Flop: Die langen Asphaltgeraden, auf denen man von einem zum anderen Kilometerschild schauen kann. Aber irgendwie gehen die Kilometer dann doch vorbei, ich durfte ja nicht vergessen, dass ich bei jedem Schild 17 dazu addieren konnte. Und zudem hatte ich meinen Job gemacht: meine Läuferin bis zum schnellen Endteil begleitet und sie dann auf die Pace gebracht.

Und so musste auch der Trainer leiden, aber für mich ist es wichtig, die Trainings selbst zu absolvieren, nur so spüre ich 1:1 was meine Sportlerin in diesem Moment durchmacht, zumindest annähernd, denn als ich das Ziel erreichte sah Maren nicht sonderlich geschafft aus, zumindest kein Vergleich zu mir. Aber mir war es lieber so, als umgekehrt.

Ein tolles Wochenende mit einem starken letzten langen Training von Maren ging zu Ende und nun kann München kommen.