MarathonUntertage Marathon 2011

3. Dezember 2011

UNTERGANG IN DER TIEFE

6 Wochen Vorbereitung für einen der härtesten Marathons, davon eine Woche mit wenig Qualität und eine Woche krank, trotzdem startete ich den Versuch, an der Spitze mitzulaufen, ein gewagtes Abenteuer. Während die ersten 4 Runden perfekt liefen und ich den zweiten Gesamtrang innehatte, kam ab Ende der Runde 5 der Untergang. Die ungenügende Vorbereitung schlug unbarmherzig zu.

Der Marathontag in Thüringen begann vielversprechend, die Sonne stand als rote Scheibe genau hinter dem Förderturm des Brückmannschachtes, als wir das Bergwerk erreichten. Besonders freute mich an diesem Morgen die Tatsache, das Adrian wieder dabei war, er wollte nur mal den Marathon bestehen, wie, das war ihm egal. Andi hatte sich andere Ziele gesetzt, er wollte nicht nur ankommen, sondern auch einen anständigen Marathon laufen, möglichst weit vorne in der stark besetzten Altersklasse. Wolle musste seine Ziele wegen Krankheit in der Vorwoche zurücknehmen, für ihn stand somit einfach Absolvieren der 42.195 Kilometer auf dem Programm. Da blieb nur noch ich übrig, mein Ziel war eigentlich das Mitlaufen an der Spitze, also mindestens ein Platz unter den ersten 10, besser unter den schnellsten 5. Als wir in den Förderkorb stiegen waren Simone und Natalie als treue Fans bei der Einfahrt in den Schacht dabei sowie Eva Breitenstein von der Basler Zeitung. Sie begleitete uns eigens für einen Bericht bei unserem Abenteuer im Kali-Bergwerk.

Es zog und es war sehr frisch als wir die Strecke in 700 Metern Tiefe erreichten, dass war etwas überaschend, denn in den Vorjahren erwartete uns immer eine mollige Wärme dort unten. Die Bergleute hatten die Belüftung geändert und so strömte durch den Schacht die kalte Luft von oben. Einmal aus dem Hauptgang abgebogen wurde es dann aber doch noch schön warm. Und dann ging es wie immer schnell im Werk, der Gong ertönte, wir mussten zum Start.

Runde 1
Direkt nach dem Start zog ein Läufer auf und davon, für mich stand völlig ausser Frage, ihm zu folgen. Die anderen hielten sich dezent zurück und so lag ich nach wenigen Metern bereits auf dem zweiten Platz. Ich versuchte sofort, nicht zu schnell zu laufen, vor allem weil es direkt nach dem Start in den ersten Anstieg hineinging. Dieser war noch nicht ganz so steil und lief sich ersteinmal recht passabel. Nach einem kurzen Bergabstück dann die Hauptsteigung, direkt neben dem Friedhof der Arbeitstiere stieg die Strecke deutlich an und es war schwierig, einen griffigen Pfad zu finden. Nachdem ich denn Berg recht gut gemeistert hatte folgte erneut ein Steilstück und dann kam die Wand! Kurz aber umso steiler und Halt fand man im salzigen Staub kaum. Danach war es mit dem Bergauf ersteinmal vorbei, die Strecke verlief nun recht flach und bis zum Ende der Runde ging es mehrheitlich bergab, schön zu laufen und nie zu steil, für mich wie geschaffen. Und so flog ich dahin und hatte nach hinten bereits ein grosses Loch gerissen. Ich war nun ganz alleine in der Strecke, ein tolles Gefühl, man hört absolut nichts, ausser sich selbst, ich liebe das. Aber mit der Ruhe war es gleich wieder vorbei, denn die Runde ging ihrem Ende zu und ich erreichte den Start-Ziel-Bereich, wo ein Sprecher in gekonnter Weise den Zweiten im Gesamt ankündigte, mich. Ich schaute auf die Uhr und erschrak ein wenig, 22:46 Minuten, das war ein wenig zu schnell.

Runde 2
Zum wiederholten Mal ging es in die drei Steigungen und ich spürte bereits, dass sie nicht mehr ganz so locker zu laufen waren, als in der ersten Runde. Auch die Leichtigkeit auf den Flachstücken war schon etwas verschwunden, mmh. Ansonsten verlief die zweite Runde problemlos und als ich an klatschenden Zuschauern vorbeilief, vernahm ich hinter mir keinen Applaus mehr, der Dritte musste bereits weit hinter mir sein. Guten Mutes ereichte ich wieder die Basis und stoppte erneut die Runde: 23:41, das war schon besser. Der Sprecher nahm meine gute Laune auf und schrieh mich in die nächste Runde.

Runde 3
Ich befand mich erneut in der gröbsten Steigung und exakt am steilsten Stück musste ich den Presse-Laster überholen, der uns zuvor mit Staub versorgt hatte. Ich sahs gelassen, schliesslich funkelte der ganz feine Salzstaub wie ein Sternenregen vor meiner Lauflampe, toll. Mittlerweile hatte ich die ersten Überrundungen bereits hinter mir und die langsamen Truppen wurden immer dichter und versperrten immer grössere Teile der Laufstrecke. So langsm begann dies etwas zu nerven, allerdings machten auch manche vorbildlich Platz und feuerten mich an. Aber Eines wurde sehr schnell deutlich: Die Überrundungen kosteten Zeit. Was die Platzierung anging hatte das natürlich keinen grossen Einfluss, schliesslich mussten alle Spitzenläufer das gleiche Prozedere durchmachen. Kurz vor dem Ziel wurde es dann in den winkeligen Kurven sehr eng und fast hätte ich die Brechstange rausnehmen müssen, aber es ging noch einmal gut. Die Runde ging zu Ende: 24:43, erneut eine Minute langsamer, aber jetzt war das Rundentempo perfekt.

Runde 4
Die erste Hälfte des Kurses mit den drei Anstiegen verlief noch einmal relativ problemlos, einzig der Anstrengungsgrad, der sich pro Runde in den Steigungen deutlich erhöhte, machte mir etwas Sorgen. Auf dem Flachstück zog ich wieder an und zum ersten Mal spürte ich so etwas wie Müdigkeit. Die Tatsache, das gleich die Halbmarathonmarke erreicht ist, liess mich aber noch relativ ruhig, denn oft hatte ich schon an dieser Stelle bei den Marathons mein grösstes Leistungsloch und ab km 30 lief es dann wie geschmiert. Als ich aber nach einer kleinen Zwischensteigung um eine Ecke bog, spürte ich plötzlich, wie leer meine Beine bereits waren. Am Start-Ziel-Bereich angekommen zeigte meine Uhr, das ich mit meiner Vermutung leider richtig lag: 25:46, erneut eine Minute langsamer, aber wenn ich diese Pace halte, dann war alles Bestens, also keine Panik.

Runde 5
Die Hälfte lag nun hinter mir, aber vier Mal musste ich noch diesen Berg hinauf und beim Hineinlaufen in den ersten Anstieg bewahrheitete sich meine Vermutung, die Kraftreserven waren am Ende. In der Wand musste ich sogar zum ersten Mal gehen. Die Überrundeten hielten jetzt mein Tempo im Anstieg, kein gutes Zeichen. Und so war es nur eine Frage der Zeit, wann der Dritte mich überholte. Er zog gleichmässig laufend an mir vorbei, ich hatte keine Chance mitzuhalten. Als ich die Wand hinter mir hatte, wurde mir deutlich, dass es jetzt sehr schwer werden wird. Der Abstand zum jetzt Zweiten hatte sich wieder verringert, ich war auf dem Flachstück doch noch schneller als er. Ich versuchte nochmals dranzubleiben und motivierte mich noch einmal. Und dann die Überraschung: Auf dem kurzen Zwischenanstieg, der vielleicht gerade mal 30 Meter lang war, musste er jetzt gehen und ich zog vorbei. Doch noch nicht alles vorbei? Als es wieder bergab ging versuchte ich gleich mal wieder einen Abstand herzustellen. Und dann kam das Seitenstechen, auch das noch, jetzt war meine letzte Möglichkeit, Boden gut zu machen, dahin. Ich beendete zum letzten Mal die Runde als Gesamt-Zweiter: 27:04, jetzt war es klar und deutlich, es ging nur noch ums Überleben. Aber drei harte Runden standen mir noch bevor, ohje ohje.

Runde 6
Die fünfte Runde war ja schon nicht gerade mehr lustig, aber was jetzt kam, dass war der Alptraum eines jeden ambitionierten Läufers. Völlig kraftlos marschierte ich erneut den Berg hinauf, diesmal bereits von Anfang an, es ging einfach nicht mehr. Im Steilstück musste ich sogar kurz anhalten, eine Katastrophe, kein Wunder lief wieder ein Läufer an mir vorbei, diesmal aber ein anderer, egal, nur noch fertigmachen. Endlich hatte ich den Berg hinter mir, jetzt immer noch zweimal diesen Anstieg hinauf, oh je. Als ich dann auf der Flachstrecke erneut das Seitenstechen verspürte, dachte ich zum ersten Mal ans Aufgeben, einfach im Zielbereich abbiegen und ein schönes Bier bestellen. Aber die Basler Zeitung war in Form von Eva dabei, das konnte ich nicht bringen. Erstaunlicherweise dauerte es bis kurz vor Rundenende, bis der nächste Läufer mich überholte. Jetzt war das Podest wohl auch flöten, aber das war mir mittlerweile ziemlich egal. Die Rundenzeit nach Runde 6 sagte alles aus: 28:50.

Runde 7
Mittlerweile überholten mich auch andere Läufer, ich konnte es gar nicht ausmachen, ob es die Spitze oder ob es Rücküberrundungen waren. Es war der Läuferhorror. Einziger Hoffnungsschimer als ich die Wand hinter mich gehobelt hatte: Nur noch einmal diesen Scheiss-Anstieg hinauf. Mittlerweile überholte mich Martin Wal, der Mehrfach-Sieger des Untertage-Marathons, ein sehr sympatischer Kerl und mit weit über 60 ein absolutes Vorbild. Locker leicht flog er die Anstiege hinauf. Dann kam Marco, der Laufkollege aus Matzendorf war gut drauf, ich konnte ihm nicht einmal folgen da das Seitenstechen schon wieder parat war. Wäre es nur die Kraftlosigkeit gewesen, dann häte ich mich zumindest im zweiten Teil der Strecke wehren können, aber so war ich irgendwie ausgeliefert. Marco gönnte ich allerdings das tolle Resultat, für mich war der Wettkampf eh vorbei und ich wollte nur noch ankommen. An der Verpflegung trank ich jetzt ausgiebig und lange, es war mir egal, wer vorbeilief. Und dann ging auch die schlimmste Runde vorbei: 32:25, dem war nichts hinzuzufügen.

Runde 8
Eingangs der Runde stand die nächste Verpflegung und ich hielt noch einmal ausgiebig an, über eine Minute stand ich am Rand, übernahm die letzten Aufmunterungen von Simone und Natalie, dann ging es zum letzten Mal in den Anstieg. Überraschender Weise lief ich jetzt den gesamten Berg hinauf, kein Gehen mehr, es war zwar mega langsam, aber immerhin. Auf dem Flachstück sah ich dann einen Konkurrenten vor mir und irgendwie hatte ich doch noch Lust, ihn zu überholen. Vielleicht war ja noch ein Podestplatz in der Altersklasse möglich, aber wahrscheinlich nicht. Ich lief auf ihn auf und als es bergabging hätte ich ihn wohl mühelos stehen lassen, wäre da nicht schon wieder dieses Seitenstechen gewesen, zu allem Überfluss jetzt sogar beidseitig, dass hatte ich noch nie. Jetzt schmiss ich den Büttel endgültig und rollte wie ein zerschossenes Schiffswrack in Richtung Ziel. Für diese Runde stand dann 33:34 auf der Uhr, oh weia, aber die Pause an der Verpflegung abgezogen, wäre die Runde schneller als die Vorherige, wenigstens.

Ich war heilfroh, im Ziel zu sein und meinen Zettel mit dem Ergebnis in die Hand zu nehmen. Ein toller Service, damit sieht man direkt wo man platziert ist und muss nicht ewig auf die Rangliste warten, und siehe da, bei der Altersklasse stand eine grosse Zwei. Damit hatte ich nicht mehr gerechnet, also doch noch auf dem Podest der AK und ein Salzstein für die Sammlung. Wenigstens noch ein versöhnlicher Ausklang, im Gesamtklassement war es dan noch der 11. Platz.

Adrian kam dann direkt nach mir ins Ziel und gewann seine Altersklasse, Andi schaffte bravourös den Dritten Rang. Somit waren wir drei auf der Siegerehrung. Wolle finishte wenig später, war aber auch am Limit.

Eins stand für mich beim Ausfahren aus dem Schacht fest: Beim nächsten Untertage-Marathon bin ich entweder top vorbereitet, oder ich laufe als Tourist in den hinteren Reihen. Einen weiteren Untergang in der Tiefe will ich nicht mehr erleben.